Lipohypertrophie

Lipohypertrophie bedeutet eine Vermehrung von Fettgewebe. Dieser Ausdruck bezeichnet in der Medizin zwei unterschiedliche Formen von Fettgewebsvermehrungen.

1. In der Diabetologie eine lokalisierte Fettgewebsvermehrung im Bereich der Injektionsstellen von Insulin, auch als "Spritzhügel" bezeichnet, die sich meist an den proximalen Oberschenkeln vorne oder an der vorderen und seitlichen Bauchhaut finden. Ursache ist, dass das unter die Haut injizierte Insulin dort lokal das Wachstum von Fettzellen fördert. In diesen Spritzhügeln ist dann allerdings die Resorption von Insulin gestört, sodass die Insulindosis übermäßig erhöht werden muss. Zur Vermeidung solcher Spritzhügel und überhöhter Insulindosierungen sollte die Injektionsstelle von Insulin häufig gewechselt werden.

2. In der Lymphologie eine Fettgewebsvermehrung der Extremitäten, die sich fast ausschließlich bei Frauen findet. Zur Abgrenzung gegenüber der vorgenannten Lipohypertrophie in der Diabetologie sollte in der Lymphologie der Ausdruck "Extremitäten-Lipohypertrophie" (EL) verwendet werden. Der Ausdruck "Lipohypertrophie" wurde 1993 von U. Herpertz (www.lymphforum.de) in die Lymphologie eingeführt, da bis dahin diese Fettgewebsvermehrungen von den Lymphologen fälschlich als Lipodystrophie bezeichnet wurden. Eine Dystrophie bedeutet jedoch einen Mangel oder eine Minderanlage, also das Gegenteil einer Lipohypertrophie. Morphologisch ist bei Frauen ohne abdominelle Adipositas diese fettgewebliche Extremitätenverdickung durch eine Lipohyperplasie (Vermehrung der Fettzellen) bedingt. Mit zunehmender abdomineller Adipositas kommt es zusätzlich zu einer Vergrößerung der Fettzellen, zur Lipohypertrophie. Somit handelt es sich dann um eine Kombination von Hyperplasie und Hypertrophie. Da die fettgewebliche Verdickung der Extremitäten in 75 % der Fälle mit einer Adipositas vergesellschaftet ist, hat U. Herpertz sich bei der Namenseinführung 1993 für die Hypertrophie entschieden, weil sie sprachlich das Gegenteil zur Dystrophie darstellt. Nr. 1: Das Lipödem-Was ist das genau? in der Zeitschrift "Physiotherapie" von Mai 1993

Die Extremitäten-Lipohypertrophie ist eine Sonderform von Fettgewebsvermehrung (www.lipoedem.de). Bei dieser anlagebedingten Fettgewebsvermehrung der Extremitäten besteht eine Fettverteilungsstörung, bei der Beine und Arme im Verhältnis zum Rumpf viel zu dick sind. Es besteht also eine Disproportion zwischen Extremitäten und Rumpf. Dies ist als eine Körperformvariante anzusehen und kann deshalb nicht als krankhaft angesehen werden. Die EL tritt in 99,5 % symmetrisch auf. Bei nur 0,5 % tritt sie somit einseitig oder stark asymmetrisch auf. Die EL kann mit Orangenhaut und knotiger Fettgewebsstruktur einhergehen, da das weibliche Fettgewebe anders als das männliche aufgebaut ist, und wird dann häufig auch als Cellulite bezeichnet. Bei Frauen mit EL oder Lipödem treten weder gehäuft Fettstoffwechselstörungen noch hormonelle Störungen auf.

Die EL manifestiert sich meist in der Pubertät, selten schon in der Kindheit und spätestens kurz nach der Menopause. In der Regel sind ähnliche Körperformveränderungen bei den weiblichen Vorfahren zu finden. Über die Progredienz der EL kann man keine Voraussagen machen, denn sie kann sich völlig unterschiedlich entwickeln. Von fehlender Zunahme der Fettgewebsvermehrung bis zur entstellenden Form ist alles möglich.

Die Extremitäten-Lipohypertrophie tritt in verschiedenen Formvarianten auf.

Bei Befall der Beine sind entweder nur die Oberschenkel betroffen (Oberschenkel-Typ) oder die Verdickungen reichen bis zur Unterschenkelmitte (Waden-Typ) oder reichen bis zu den Knöcheln (Ganzbeintyp). Bei Befall der Oberschenkel sind in der Regel auch das Gesäß und die Hüftregion mit betroffen. Die Füße und Zehen sind in 95% verdickungsfrei und immer ödemfrei.



Bei Befall der Arme gibt es entsprechend den Beinvarianten den Oberarm-Typ und den Ganzarm-Typ. Auch hier sind in 77% die Hände verdickungsfrei und immer ödemfrei.

Die reine EL gibt es nur in 20 % der Fälle von Beinverdickungen. In 80 % ist die Lipohypertrophie und auch das Lipödem mit einer Adipositas vergesellschaftet und durch die Adipositas verstärkt.

Über die Häufigkeit der Lipohypertrophie gibt es keine verlässlichen Zahlen, wird es auch nie geben, da die Einschätzung, ob eine Lipohypertrophie vorliegt, zumindest bei geringer Ausprägung, eine sehr subjektive Beurteilung darstellt.

Die Extremitäten-Lipohypertrophie betrifft nur ganz selten Männern und ist dann in einem absoluten oder relativen Androgenmangel begründet, z. B. bei Hypogonadismus, nach beidseitiger Hodenentfernung oder durch einen erhöhten Östrogenspiegel infolge Östrogentherapie oder bei Leberzirrhose. Der Quotient Testosteron zu Östrogen ist erniedrigt.


Therapie:

Eine Therapie ist prinzipiell nicht erforderlich, da die Lipohypertrophie keine Beschwerden verursacht, allenfalls ein Schweregefühl der Beine bei massiver Ausprägung Eine geringe Volumenreduktion ist bei gleichzeitig bestehender Adipositas durch eine Gewichtsabnahme möglich. Eine wesentliche Volumenreduktion ist allerdings nur durch eine Liposuktion erreichbar, gegen die aus lymphologischer Sicht keine Bedenken bestehen.

Lipödem:


In seltenen Fällen kann sich aus einer Extremitäten-Lipohypertrophie später ein Lipödem (www.lipoedem.de) entwickeln, dass dann durch Spannungsbeschwerden und starke Druckempfindlichkeit des vermehrten Fettgewebes charakterisiert ist. Dabei ist das Bestehen einer Lipohypertrophie die Voraussetzung zur Entstehung eines Lipödems. Beim Lipödem können die Beschwerden durch eine Kompressionsbestrumpfung und eventuell zusätzliche Manuelle Lymphdrainage gebessert werden.

Literatur:

McNally PG et al.: Lipohypertrophy and lipatrophy complicating treatment with highly purified bovine and porcine insulins. Postgrad Med J 1988; 64: 850-853.

Peter Hien, Bernhard Böhm: Diabetes-Handbuch: eine Anleitung für Praxis und Klinik. 5. Aufl.

Herpertz U. Das Lipödem - was ist das genau? Physiotherapie 1993; 5: 191-195.

Herpertz U.: Das Lipödem. Zeitschrift für Lymphologie 19/1, 1995, 1

Herpertz U.: Krankheitsspektrum des Lipödems an einer Lymphologischen Fachklinik. Vasomed 9/5, 1997, 301

Herpertz U.: Entstehungszeitpunkt von Lipödemen. Lymphologie in Forschung und Praxis 08/2, 2004, 79

Herpertz U.: Adipositas-Diagnostik in der Lymphologie. Lymphologie in Forschung und Praxis 13/2, 2009, 34


www.oedemsprechstunde.de (kostenlose online Beratung bei Ödemkrankheiten)

www.lymphnetz.net (alle Informationen auf dem Gebiet der Lymphologie)